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Ab und zu halte ich das Hamsterrad des Alltags an, um  zu verstehen, was um mich herum passiert: Der Wahlkampf und der NSU-Prozess, die Arbeit und  das Leben; es gibt genug, was einen in Atem hält.

Dabei wird die Welt immer wieder neu erfunden – in immer kürzeren Abständen. Es ist verwirrend. Welche Prioritäten soll man da setzen?

 

Priorität

Am Montag ist meine Tochter  mit ihrem Papa in der Kulturbrauerei aufgetreten. Doch ich hatte mich verzettelt und kam zum Konzert zu spät. Ich hatte tagsüber die falschen Prioritäten gesetzt und fühlte mich nun wie eine Rabenmutter. Immerhin habe ich aber noch zwei Konzertstunden erlebt. Danach plauderte ich bis weit nach Mitternacht mit meiner   Tochter. Sie war erschöpft, aber glücklich.
Ich frage: „Hast du  viel Stress?“
Sie sagt: „Ja, manchmal bringe ich schon in drei Stunden einen Acht-Stunden-Tag hinter mich“.
Ich riet ihr: „Du musst unbedingt Prioritäten setzen!“.
Am Mittwoch kam dann mein Sohn aus Amsterdam, wo er seit einiger Zeit  lebt. Es ist Gallery Weekend  in Berlin, das lässt er sich nicht entgehen. Er landete  spätabends in Berlin.   Erschöpft, aber glücklich.
Hinter uns beiden lag ein langer Tag. Wir waren sehr übermüdet. Bis 1.20 Uhr. Dann kam die Wiederholung: Borussia gegen Real Madrid.  Der Tag konnte jetzt nicht zu Ende sein. Man muss Prioritäten setzen.
So trifft sich unsere Familie  immer öfter nachts. Und ich genieße meine Kinder. Egal, wann.
„Ich hab Hunger. Was hast du?“, fragte mein Sohn gestern nacht.
„Ich hab einen Kühlschrank.“
„Ja, aber ist auch was drin? Also etwas, worauf wir Appetit haben?“
Ich hatte verstanden. Los ging’s. Zum  Candle Light Döner. Ich war zwar irgendwie erschöpft, aber eben auch glücklich.
Etwas zu tun, was keiner von mir verlangt –  ist mir die liebste Art, das Hamsterrad anzuhalten. Wer seine Familie zur obersten Priorität erklärt,  sollte zuallererst mal wissen, wo der nächste Nachtimbiss ist.