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Die seltsamsten Begegnungen geschehen nachts. Vor ein paar Jahren, kurz vor Pfingsten, saß ich noch sehr spät in der Redaktion und wollte nur dies: endlich fertig werden. Da erhielt ich einen bestürzenden Anruf.

Pfingsten

Ein Leser aus Niedersachsen bezog sich auf einen Artikel, um dann von sich zu erzählen. Er wirkte ganz bei sich, völlig klar, aber plötzlich sagte er: „Ich  werde an Pfingsten mein Leben beenden.“Das traf mich absolut unvorbereitet. Ich redete mit ihm über seine Lebensumstände, seinen Glauben und seinen Wohnort. Aber was konnte ich für ihn tun? So weit entfernt, so kurz vor Mitternacht? Ich suchte Kriseninterventionsdienste, Arbeitskreise, Seelsorger – mit mäßigem Erfolg. Bis ich in einem Berliner Notdienst landete. Dort geriet ich an eine engagierte Therapeutin, die die geniale Idee hatte, den Pastor jener niedersächsischen Gemeinde anzurufen. Ausgerechnet an Pfingsten, sozusagen dem Geburtstag der Kirche! Doch tatsächlich besuchte der Pastor sofort den Leser. Noch über das Pfingstfest hinaus hielten der Pastor, die Therapeutin, der Leser und ich steten Kontakt.

Später rief mich der Leser aus einem Restaurant an, er wollte mit einem Glas Wein auf sein neues Leben anstoßen. Ich erzählte ihm nun, wie sehr mich die Therapeutin beeindruckte und, dass ich indes mit ihr auch privat befreundet war: „Sie haben mir die seltsamste Begegnung meines Lebens beschert“. Er sagte, er verstehe das als Kompliment.

Wir verstanden uns richtig.