Mein Mann sagt oft: „Abini, erst denken, dann reden.“ Das ist seine Art, mich zu schützen. Außerdem klingt es schlau. Und deshalb versuche ich, mich daran zu halten.
Zugegeben, es entspricht nicht ganz meinem Naturell, aber ich komme wohl nicht umhin, endlich auch erwachsen zu werden.
Ich trage mein Herz gern auf der Zunge. Sicher ist Diplomatie ein Segen, aber manchmal ist sie auch ein Fluch. Ich jedenfalls fühle mich in gewissen Momenten um eine angemessene Erwiderung betrogen.Und weil ich tagsüber der Form halber schweige, trete ich oft mit der Nacht in den Dialog. Ich habe nämlich die dumme Angewohnheit, wenn es draußen dämmert, innerlich hellwach zu werden. Dann denke ich darüber nach, wie etwas gelaufen sein könnte, wenn es nicht so gelaufen wäre, wie es gelaufen ist. Plötzlich fallen mir wieder all die Fragen ein, die ich hätte stellen sollen und all die schlagfertigen Antworten, die ich hätte geben sollen. Etwa: „Rückgrat zu haben, ist kein Haltungsfehler.“ Oder: „Zwingen Sie mich nicht, etwas zu tun, das ich nie bereuen werde.“ Aber ich bin ja gut erzogen und habe nichts gesagt.
Abends, wenn ich zu meinem eigenen Fernsehsessel werde und runter toure, stellt mein Mann ein Glas Wein auf den Tisch und sagt:
„Komm erst mal zu dir.“
„Aber ich bin so was von bei mir.“
„Du grübelst doch wie verrückt.“
Durchschaut! Tatsächlich gehen mir die absurdesten Dinge durch den Kopf. Manchmal steigere ich mich auch ein bisschen rein.
Mein Mann beäugt mich dann und fragt, ob alles okay ist. „Ja Schatz, alles bestens. Gib mir mal bitte die Flex!“
„Ich kenne niemanden, der mit so viel Energie sein Ermattetsein auslebt. Was ist denn das Problem?“
Ich erkläre ihm, dass mich dieses „erst denken, dann reden“ fertig macht. „Weißt du, der Punkt ist: Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“