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An dieser Stelle ging es schon um nächtliche Verkehrskontrollen, Nachhilfe, Tierbesuche, Heißhungerattacken, Schlafprobleme, TV-Zumutungen oder die Tragik des Nüchternseins nach Mitternacht. Nun folgt die vorerst letzte Geschichte, die ich mit der Zeit „0 Uhr 30“ aufrichtig rechtfertigen kann.

 Quartal

Es war genau an einem 30. Juni, als ich tagsüber vergeblich versuchte, meine Mutter zu erreichen. Langsam beschlich mich ein unruhiges Gefühl. Um 23 Uhr machte ich mich schließlich auf den Weg zu ihr. Ich fand meine Mutter auf dem Wohnzimmerteppich. Sie war gestürzt und konnte sich kein Stück bewegen. Sie lag da schon seit 9 Uhr vormittags, war dehydriert und unterzuckert. Sie hatte jedes Klingeln gehört, jede Nachricht auf dem Anrufbeantworter– aber sie kam nicht ans Telefon ran. Was, wenn ich mich nicht nochmal aufgerafft hätte?

Ich machte ein paar Handgriffe, bevor ich den Notarzt rief – während meine Mutter sich für die Umstände, die sie bereitete, entschuldigte. Mein Gott, Schuldgefühle? „Du wirst doch jetzt nicht katholisch?“, fragte ich. Sie lächelte, soweit es die Schmerzen zuließen. Gegen 23.50 Uhr kamen wir im Krankenhaus an. Während meine Mutter untersucht wurde, zahlte ich zehn Euro Praxisgebühr. Bald war klar, dass sie noch in jener Nacht operiert werden musste. Gerade las ich den Behandlungsvertrag – als wieder zehn Euro fällig wurden.
Aber ich hatte doch eben?

Wir hätten jetzt den 1. Juli, erklärte die Schwester, und somit sei ein neues Quartal angebrochen.

Kurz vor der Operation kommen Eltern oft auf die Idee, ihre Kinder auf Formalitäten hinzuweisen: Wo welche Dokumente liegen, und was noch zu erledigen sei. Das will man nicht hören, aber …:
„Abini, hast Du auch die Gebühr bezahlt?“
„Ja Mamel, sogar zwei Mal.“
„Warum zwei Mal?“
„Na innerhalb einer Viertelstunde sind zwei Quartale vergangen.“
„Wie dumm von mir! Das werde ich beim nächsten Sturz bedenken.“