Mit den Zugverspätungen ist es wie mit dem Cannabis-Konsum: Für beides gibt’s nicht mal einen Klaps auf den Po. Am Dienstag fuhren wir also nach Amsterdam.

 

Deutsche Bahn

Die Bahn kommt. Vielleicht.

Unser Sohn hatte eine wichtige Prüfung. Wir wollten da sein, um ihn zu trösten  – oder zu feiern. Je nachdem.
Das sind ganz normale Elternreflexe. In aller Frühe aufstehen, stundenlang unterwegs sein, zum Kind hetzen, dessen Arbeit bewundern,  im besten Fall die Diplomübergabe erleben  und im allerbesten Fall das Kind sofort mit den Kommilitonen allein feiern lassen und sich artig zurückziehen – das ist doch selbstverständlich für gut erzogene Eltern.

Überpünktlich und übermüdet stehen wir um sechs am Hauptbahnhof. In 40 Minuten soll der Zug fahren, aber er ist gar nicht angezeigt. Ich frage an der Information:
„Guten Morgen. Wo ist denn unser Zug?“
Die Dame antwortet: „Der ist vor zwanzig Minuten abgefahren. Es gab kurzfristige Fahrplanänderungen.“
„Was? Er ist schon weg?“
„Ja, tut mir leid.“
„Und wann fährt der nächste?“
„In zwei Stunden“.
„Und der fährt  bis Amsterdam?“
„Nein, nur bis Hannover. Da haben sie zwei Stunden Aufenthalt.“
„Und unsere Sitzplätze?“
„Die müssen sie noch einmal im Kundencenter neu reservieren.“

Ich konnte es nicht fassen, der Zug ist einfach eine Stunde früher abgefahren! Also Verspätungen, ja. Aber Verfrühungen? Das ist neu.
Nach nur 30 Minuten haben wir alles umgebucht, hetzen zum Zug, doch: Die Wagenreihenfolge hat sich jetzt geändert. Natürlich stehen wir am falschen Ende! Als wir endlich sitzen, schreibe ich  eine SMS: „Lieber Raouli, der Zug ist eine Stunde früher gefahren, deshalb kommen wir drei Stunden später. Erkläre ich Dir nachher. Kuss Mom“.

Tatsächlich kommen wir nach 14 Stunden an. Es gab noch die eine oder andere Verspätung. Mein Mann hat das Ganze nicht weiter kommentiert. Auch nicht, als wir in Amsterdam zum Museum eilten und ich auf einer Brücke plötzlich darauf bestand, mich „wenigstens noch zu kämmen und zu schminken“. Er wusste, nichts konnte mich abhalten. Übertreibe ich manchmal ein bisschen?

Keineswegs. Zügig eilen wir ins Museum – alle anderen Eltern sind längst da. Der "ganz normale Elternreflex" ist nämlich international: Die Familien kommen für ihre Söhne und Töchter extra aus Israel, der Türkei, der Schweiz oder den USA. Die sehen alle fertig aus, aber sind pünktlich. Auch der Papa aus China. Da wollen wir uns  über unsere Anreise mal nicht beklagen. Ich strahle.

Wenig später erreicht mich diese Mail: „Ihre gebuchte Fahrt konnte  im aktuellen Fahrplan nicht gefunden werden. Bitte informieren Sie sich über Ihre Reisemöglichkeiten. Ihre Deutsche Bahn“. Jaja. Morgen werden wir in aller Herrgottsfrühe aufstehen, mit irgendwelchen Zügen irgendwo unterwegs sein und schließlich irgendwann völlig k.o. wieder in Berlin ankommen.
Genauso war’s. Dafür sind also zwei Urlaubstage draufgegangen.

Mein Gott, wir waren in Amsterdam und haben nicht mal relaxt und ein bisschen Gras über die Sache geraucht! Ach, das machen sowieso nur Anfänger, haben wir gelernt …

Also betrachte ich die Sache nüchtern: Das "Kind" hat ein Diplom. Es hat sich gelohnt!