Wie aus einem ziemlich heißen Wochenende ein ziemlich fiebriges wurde...
Dabei habe ich mich so auf das Wochenende gefreut!
Bea, meine Freundin, wird am Sonnabend ihren 50. Geburtstag mit vielen alten Bekannten feiern – und wir werden uns gegenseitig zeigen, wie gut wir uns gehalten haben. Und am Sonntag geht’s in die Bar jeder Vernunft zum „Käfig voller Narren“ – jenem Musical mit der Hymne „Ich bin, was ich bin“. Herrlich, nichts kann mich von diesem Wochenende abhalten.
Nichts? Am Freitagnachmittag verspüre ich einen Ganzkörpermuskelkater, am Abend dann streckt mich ein fieser Grippevirus nieder. Ich bin, was ich bin: krank; sehe wie das Gegenteil von „gut gehalten“ aus und fühle mich, als wäre ich relativ unpräzise von einer Raumkapsel abgeworfen worden.
Aus dem heißen Wochenende ist ein fiebriges geworden. Unter Zuhilfenahme diverser Substanzen katapultiere ich mich in den Schlaf – und offenbar in eine Parallelwelt. Jedenfalls erzähle ich meiner Tochter und ihrem Freund, als sie mich besuchen, völlig ernsthaft vom „Tag, als Nelson Mandela zu uns auf den Balkon kam und dasselbe T-Shirt trug wie Mama und Sven.“ Daraufhin erkundigt sich meine Tochter nach den Medikamenten und verordnet mir „Rotlicht“. Von da an hält sie steten Kontakt mit mir.
Am nächsten Abend spricht sie auf den Anrufbeantworter: „ Hallo Mom, ich wollte nur sagen, dass ich heute Abend lange nicht erreichbar bin, weil ich ins Bordell gehe.“
Hab’ ich den Anruf geträumt? Leider ist ihr Telefon aus. Hm, jetzt bin ich beunruhigt.
Nachts erreiche ich endlich meine Tochter. Sie erklärt mir: Im „Red Rose Club“ am Senefelderplatz wurde das Musical „Gypsy“ aufgeführt. Mit Stangentanz, Spiegelwand und Lackstiefeln. Ein deutscher Regisseur und die englisch-thailändische Bordellbesitzerin wollten so fünf Tage lang „tiefere Einblicke“ gewähren. Außerdem spielte eine Freundin von ihr mit.
Moment, Moment. Tiefere Einblicke? Mein Gott, was sieht man da?
Gezeigt wurden dokumentarische Interviews mit Prostituierten, die Bar, der Keller, viele Zimmer – und eben das Stück. Das war wohl alles spannend, bis auf die Frottee-Handtücher, auf denen man lag ...
Schon gut, schon gut. Es war eben ein verdammt anderes Wochenende als eigentlich geplant. Am Ende hat mir das Rotlicht zwar nicht geholfen – aber meiner Tochter auch nicht geschadet.
Ist auch was.