Es gibt Zeitmanagement, Zeitsynchronisation, ja sogar Zeitkompetenz. Klingt wunderbar organisiert. Doch ich kämpfe jeden Tag gegen die Zeit - und verliere.

 Gerade sage ich noch: „Schnarch’ was Schönes“ – und ein paar gefühlte Minuten später stehe ich schon wieder auf. Es ist wie jeden Morgen: ungläubiger Blick zur Uhr, Rolle seitwärts, Gang zum Fenster. Und das Rotkehlchen beschimpfen, weil es einen geweckt hat.
Irgendwie sind meine Tage zu kurz. Die Nächte auch.  Ist Zeitmanagement nur eine Illusion?  Bin ich so anders als der Durchschnitt der Deutschen?  Was sagt die Statistik?

Uhr

Also im Bad investieren die Deutschen mindestens 15 Minuten, sagt Infratest – das passt schon. Dann 15 Minuten in Leibesertüchtigung (soll die Lebenserwartung bis zu 3 Jahre erhöhen) – das klappt selten. Dazu fünf Minuten fürs Sixpack am Bauch  – das klappt nie.
Dann noch 10 Minuten fürs Frühstück. Im besten Fall: Möhren putzen, Joghurt in den Mixer geben, Prise Koriander drüber, fertig ist der gesunde Shake. Meistens jedoch: ein Kaffee und ’ne Zigarette. Kurz fieberhaft verfolgen, wer beim Frühstücksfernsehen die Tassen gewinnt. Zeitung lesen; ah, ein Artikel über Stressmanagement: „Nehmen Sie sich gleich jetzt 10 Minuten und machen Sie  etwas, das Ihnen gut tut. Dann sind  Sie entspannter“. Na toll, jetzt bin ich knapp dran. Schnell fertig anziehen: 2 Minuten.
Ehemann fragt noch: „Bist Du sicher, dass Du so los willst?“. In Ratlosigkeit verfallen, umentscheiden: weitere 10 Minuten. Nun aber los.
Lippenstift im Fahrstuhl, ab ins Auto, an der neuen Baustelle die Zeit sinnvoll nutzen, Gehirnjogging probieren (5 bis 10 Minuten reichen für mehr Leistung, sagen Intelligenzforscher). Plötzlich abgelenkt werden. Vergessen, wo man stehen geblieben war. Im Büro ankommen.
Nach der Arbeit: Einkauf, Haushalt (30 Minuten, sagt die Statistik).  Wie schaffen das die anderen? Päckchen beim Nachbarn abholen, freuen, aufmachen, enttäuscht sein, zurücksenden. Essen machen (Tagesdurchschnitt bei frischer Zubereitung: 80 Minuten).  Naja.
Nachrichten hören, Gedenkminute einlegen (Staatsverschuldung 26 340 Euro pro Minute). Kontoauszug überprüfen, Unterschied zwischen Soll und Sollen feststellen. Post lesen, Fensterbriefe zuletzt.
Dann noch 5 Minuten für das auditive Erlernen einer Fremdsprache. Von der Couch aus versuchen, den deutschen TV-Tageskonsum nachzuvollziehen (242 Minuten). Nach 2 Minuten den Fernseher leise stellen, mit dem Partner über den Tag reden (Paare, die schon mehrere Jahre zusammen sind, nehmen sich laut  Statistik 10 Minuten täglich). Statistik ignorieren, die anderen bedauern, weiter reden – bis der Ehemann um „eine Auszeit“ bittet.
Tochter anrufen. Feststellen, dass gleich Mitternacht ist. Noch schnell online was erledigen (140 Minuten), Computer runterfahren, abstürzen, nochmal Neustart und dann runterfahren. Ins Bett.
Das Powernapping von der Mittagspause nachholen (etwa 20  bis 30 Minuten werden empfohlen), von Statistiken und Zahlen träumen  -  5, 4, 3, 2, 1 - wach werden.
Rotkehlchen ausschimpfen …